Gesellschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte

Sammlung, Analyse, Speicherung und geteilte Nutzung grosser Datenmengen werfen tiefgreifende gesellschaftliche, rechtliche und ethische Fragen auf. Die Suche nach Antworten erfordert interdisziplinäre Bemühungen, die mehrere Interessengruppen zusammenbringen. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die neuen Perspektiven, die das NFP 75 zu Fragen des Eigentums, der Kontrolle, des Zugangs und der Weitergabe von Daten, zu Datenschutz und digitaler Souveränität, Diskriminierung und Fairness sowie zu Wissensmanagement hervorgebracht hat.

Durch das NPF 75 wurden etliche ethische, regulatorische und rechtliche Fragen analysiert, die das rasante Wachstum von Big-Data-Anwendungen und -Praktiken hervorgebracht hat, sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch in spezifischen Kontexten.

Forschende des NFP 75 betrachteten spezifische Anwendungsbereiche wie das Gesundheitswesen, untersuchten, wie sich Vorschriften international ausbreiten, verfassten Richtlinien für die Versicherungsbranche, untersuchten die Wahrscheinlichkeit von Diskriminierung im Personalwesen, entwickelten Rahmenkonzepte für die ethische Nutzung von Daten im Gesundheitsbereich und untersuchten, wie der neue Beruf der Datenwissenschaftlerin und des Datenwissenschaftlers entstanden ist. Sie analysierten auch allgemeine Fragen im Zusammenhang mit der Souveränität und der Kontrolle von Daten, der Regulierung der Nutzung von Big Data in der Forschung und der Notwendigkeit, neue, durch Vorhersagemodelle entstandene Unsicherheiten anzugehen.

Dateneigentum, -kontrolle, -zugriff und -übertragung

Daten werden von Organisationen und Einzelpersonen mit einer Vielzahl von Aufgaben produziert, gesammelt, analysiert und weitergegeben wie nie zuvor. So veröffentlichen beispielsweise Regierungen einen Teil ihrer Daten im Einklang mit dem Paradigma der offenen Daten. Im Gegensatz dazu neigen kommerzielle Unternehmen dazu, Daten zu horten und sie nur widerwillig zu teilen.

Fairness, Datenschutz und digitale Souveränität

Datenschutz und Datensicherheit gehören zu den am meisten diskutierten politischen Fragen, die durch Big Data aufgeworfen werden. Insgesamt gesehen lassen die technologischen Fortschritte im Bereich Big Data Zweifel an der Angemessenheit der traditionellen Grundsätze des Datenschutzes aufkommen.

Wissensproduktion und -management

Entwickler:innen von Big-Data-Anwendungen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung allgemeiner und bereichsspezifischer ethischer Richtlinien und Praktiken. NFP-75-Projekte untersuchten, wie sich Big Data auf die Forschungs- und Wissensberufe auswirkt.

Herausforderungen und Kernaussagen

Herausforderungen bei der Erforschung der gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Fragen

Die Erforschung von Big Data in der Gesellschaft muss sich mit schnell ändernden Technologien und rechtlichen Fragen auseinandersetzen, so z. B. dem schwindenden Konzept des Dateneigentums (Rechtliche Herausforderungen von Big Data). Dies erfordert flexible Forschungsprogramme und Finanzierungen.

Wie auch bei Projekten zu Anwendungen und Infrastruktur kann es schwierig sein, Daten (insb. akademische) für sozialwissenschaftliche Forschung zu beschaffen (Big Data in der Praxis, Big Data im Versicherungswesen, Unsicherheit in Big-Data-Anwendungen) – wobei es in einem Bereich möglich war (Handelsabkommen).

Die ethische und rechtliche Betrachtung von Big-Data-Systemen ist im Wesentlichen interdisziplinär, was es
schwierig macht, sich auf Terminologie, Methodik und Konzepte zu einigen, insbesondere zwischen Datenwissenschaftler:innen, Modellierer:innen sowie Rechtswissenschaftler:innen (Rechtliche Herausforderungen von Big Data, Unsicherheit in Big-Data-Anwendungen).

Kernaussagen

Obwohl das NFP 75 nur eine Teilmenge aller gesellschaftlichen, rechtlichen und ethischen Fragen im Zusammenhang mit Big Data behandelt hat, zeigt die Forschung dennoch einige allgemeine Probleme auf.

  • Sowohl der öffentliche als auch der private Bereich muss zur Nutzung von Big Data transparenter auftreten.
  • Weitere akademische Forschung sollte sich mit den möglichen Auswirkungen von Big Data auf die Demokratie befassen. Dazu gehört die immer wichtigere Rolle der Analytik in den sozialen Medien, die Verbreitung von Falschinformationen und Datenmanipulationen beschleunigt. Solche Entwicklungen sollten nicht dem Ermessen kommerzieller Unternehmen überlassen werden.
  • Neben der Technologie sollten bei künftigen Überlegungen auch die gesellschaftlichen Aspekte der Big-Data-Analytik nicht vernachlässigt werden.

Gesellschaftliche Fragen angehen

Neue Datentechnologien verändern das Privat- und Geschäftsleben. Die Aggregation und Analyse von Daten, wie auch Analysetechniken haben grosse Auswirkungen auf Bereiche wie das Gesundheitswesen und den Arbeitsplatz. Dies erfordert die Durchführung kontextbezogener Analysen und das Vorhersehen gesellschaftlicher Folgen sowie die Ausarbeitung praktischer Leitlinien, die an unterschiedliche Umgebungen angepasst sind (Big Data im Gesundheitsbereich, Big Data im HR-Bereich, Big Data im Versicherungswesen, Regulierung der Big-Data-gestützten Forschung).

Angemessene Regulierungen entwerfen

Die Rechtsordnung muss einen verhältnismässigen normativen Rahmen schaffen. Da das Konzept des Eigentums für (nicht physische) Daten schlecht geeignet ist, könnten die Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber damit beginnen, das alternative Konzept der Datenrechtsinhaber:innen zu formulieren, das sich auf die Kontrolle von und den Zugang zu Daten konzentriert. In Bereichen wie der Blockchain werden neue normative Instrumente erforderlich sein, und es sollte weder zu viel noch zu wenig reguliert werden.

Ethische Richtlinien entwickeln

Ethische Richtlinien werden benötigt, da Inklusion und Fairness nicht ausreichend gesetzlich verankert sind und viele Grundsätze der Nicht-Diskriminierung nicht durch Verfassungen abgedeckt sind.

Solche Richtlinien sollten anhand konkreter Prozesse erstellt werden, die situationsbezogen sind und mehrere Interessengruppen einbeziehen – je mehr Interessengruppen es sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Richtlinien befolgt werden (Big Data im Gesundheitsbereich, Big Data im Versicherungswesen, Regulierung der Big-Data-gestützten Forschung).