Rechtliche Herausforderungen von Big Data

Autor:innen
Prof. Sabine Gless und Prof. Herbert Zech
Universität Basel und Humboldt-Universität zu Berlin

Für ihr NFP75-Projekt «Rechtliche Herausforderungen von Big Data» haben sich Prof. Sabine Gless und Prof. Herbert Zech zusammen mit ihren Projektmitarbeitenden mit Fragen der Verwertung und des Schutzes beschäftigt.

Die aktuelle Gesetzgebung ist nicht für Big Data ausgelegt. Am Beispiel des «vernetzten Verkehrs», einer Voraussetzung für die Automatisierung des Fahrens, untersuchte das Projekt verschiedene rechtliche Fragen zur Nutzung und zum Schutz von Big Data. Folgende drei Botschaften können aus dem Projekt mitgenommen werden:

1) Über den Tellerrand schauen: Schaffung innovativer rechtlicher Konzepte für die digitale Wende, z. B. eines soliden Rechtsrahmens auf der Grundlage des Konzepts des «Datentreuhänders», der den Einzelnen mit nicht ausschliesslichen Übertragbarkeitsdatenrechten im Privatrecht und Datenprivilegien im Strafrecht ausstattet.

2) Bestehende Konzepte für den «Digital Turn» schärfen: Beispielsweise den traditionellen Begriff des Schutzes der Privatsphäre mit Institutionen im Privat- und Strafrecht kombinieren, um einen funktionalen Rechtsrahmen für den Handel mit Daten und ein Bollwerk gegen Eingriffe in die Privatsphäre bei der Bestandsaufnahme in Strafprozessen zu schaffen.

3) Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen: Insbesondere eine interdisziplinäre Terminologie- und Standardsetzung pflegen, um einen fruchtbaren Austausch zu fördern; dies ist für die rechtliche Bewertung von Big Data in Theorie und Praxis von besonderer Bedeutung, da es dem Recht bisher an einer adäquaten Sprache fehlt, um drängende Interessenkonflikte des «Digital Turn» exakt zu benennen.

Empfehlungen

Im Rahmen des Projekts wurde der Bedarf an Rechtsreformen ermittelt und insbesondere die folgenden Empfehlungen formuliert.

  • Im Privatrecht muss ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der die Fallstricke eines «Dateneigentumsgesetzes» vermeidet, nämlich die Einschränkung von Wettbewerb und Innovation. Stattdessen sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der sowohl dem Einzelnen als auch den «Datentreuhändern» angemessene Rechte einräumt. In Bezug auf nicht-personenbezogene Daten sollte der bestehende Rechtsrahmen ebenfalls weiterentwickelt werden, insbesondere sollte ein nicht-exklusives Portabilitätsrecht eingeführt und der offene Zugang entsprechend gestaltet werden.
  • Im Strafrecht muss der Rechtsrahmen auf verschiedene neue Anforderungen eingehen, darunter die Zuweisung des Rechts, nach einem Datendelikt Anklage zu erheben, und die Nutzung von Big Data (bzw. künstlicher Intelligenz) in Strafverfahren in angemessener Weise. So braucht die Strafverfolgung eine klare Regelung, wer nach dem Hack von personenbezogenen Daten ein Strafverfahren einleiten kann. Der Gesetzgeber sollte die Rechte der Opfer (Anklage zu erheben oder in bestimmten Situationen die Anklage zu blockieren) entsprechend dem im Privatrecht angewandten Konzept zuweisen. Der Grund für einen harmonisierten Ansatz ist, dass die Datenrechte einen umfassenden Schutz benötigen.
  • Im Strafprozessrecht muss das Gesetz unabhängig davon, ob Big Data (oder in Zukunft künstliche Intelligenz) ein Instrument zur Verurteilung oder zum Freispruch wird, Vertrauenswürdigkeit und Fairness bei der Tatsachenfeststellung gewährleisten. Wenn das Recht mit dem rasanten Tempo der fortschreitenden Technologie Schritt halten soll, müssen daher Instrumente geschaffen werden, um (a) die «künstliche Intelligenz im Gerichtssaal» sinnvoll zu überprüfen und (b) Big-Data-Anwendungen zu verbieten, welche die Menschenwürde verletzen könnten.

Ein paralleles Querschnittsprojekt hatte einen besonderen Schwerpunkt auf dem Recht auf Zugang zu Daten für das Gemeinwohl, insbesondere für öffentlich finanzierte Forschung: «Big Data: Offene Daten und rechtliche Herausforderungen».

Dissertationen

Big Data and Property Rights – How to Share the Benefits? (Alain Schmid)
Alain Schmid, Rechte an Daten am Beispiel von durch den Betrieb eines Fahrzeuges generierten Daten

Big Data and Consumer Protection – Beyond Conventional Privacy Concepts (Kirsten Schmidt)
Kirsten Schmidt, Datenschutzrecht als Vermögensrecht. Datenschutzrecht als Instrument des Datenhandels. Springer 2020, Open access, www.springer.com/de/book/9783658307967

Big Data Crimes – Guardianship for Data in Criminal Justice (Dario Stagno)

Big Data and Criminal Investigations – Right to Privacy and Other Privileges? (Christine Möhrke Sobolewski)
Christine Möhrke-Sobolewski, Gehackte Fahrzeuge – Strafantragsrecht bei Datendelikten in der Schweiz und in Deutschland, Diss. 2019, Universität Basel

Web Observations. Analysing Big Data Based on Automated Data Extractions (Alexander Gröflin).
Alexander Gröflin, Alexander, Web Observations: Analysing Web Data Through Automated Data Extraction. 2018, https://edoc.unibas.ch/75352/

Zum Projekt

Weiterführende Links