Big Data im Personalwesen

Autorin
Isabel Ebert
Universität St. Gallen

Ethische Fallstricke lauern bei Big Data im Personalwesen – strategische Stakeholder-Einbindung und Digital Literacy kann diese überwinden. Gespräch mit einer der Verantwortlichen des NPF75-Projekts «Big Brother in Schweizer Unternehmen? Vertrauen, Daten und Privatsphäre im Job».

Was können Sie uns zum Stand Ihres Projekts erzählen?

Im Bezug auf den Einsatz von Big-Data-Technologien im Personalwesen von Schweizer Unternehmen zeigte sich ein gemischtes Bild – viele grosse Konzerne sind recht Technologie-affin. Die Umsetzungsstadien sind sehr unterschiedlich. Wir haben im Sommer 2018 unsere grosse Online-Umfrage zur Verwendung von Big-Data-Technologien im Personalwesen durchgeführt und basierend darauf mehrere Unternehmen als Fallstudienpartner identifiziert. Aktuell werten wir diese Fallstudien auf Basis der Daten, die wir im Laufe des letzten Jahres gesammelt haben, aus. Die Fallstudien beinhalten rund 100 Interviews mit Mitarbeitenden mehrerer Schweizer Unternehmen, welche Big Data Analytics im Personalwesen (HR) einsetzen.

Wir haben zudem auch einen Analyse-Werkzeugkasten entwickelt, der HR-Managern ermöglichen soll, besser zu verstehen, welche Art von Big Data Tool sie am Arbeitsplatz einsetzen und welche Auswirkungen dies auf das Arbeits- und Vertrauensklima im Unternehmen haben könnte sowie wo mögliche ethische und rechtliche Fallstricke liegen könnten. Diese Einblicke sind gleichzeitig auch für die Rolle des Gesetzgebers und in politischen Debatten wichtig, wenn es um die Verantwortung bezüglich möglicher negativer Auswirkungen dieser Tools auf Individuen geht.

Wie steht es mit ersten Resultaten?

Die Einschätzung der Effektivität und das Empfinden des möglicherweise intrusiven Charakters der Verwendung von Big-Data-Technologien im Personalwesen sind je nach Gruppe der Mitarbeitenden sehr unterschiedlich. Die transparente Kommunikation über erhobene Daten sowie Mitspracherechte der Betroffenen sind von Fallstudie zu Fallstudie nicht deckungsgleich ausgestaltet, scheinen aber für das individuelle Empfinden der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle zu spielen. Insbesondere aus Sicht der Wirtschaftsethik, aber auch im Hinblick auf das Vertrauensklima im Unternehmen, kann man hier wichtige Signale setzen: Prozesse müssen so angepasst werden, dass die Privatsphäre aufrecht erhalten bleibt, Transparenz und Datenkontrolle gewährleistet sind und es gesicherte Mitspracherechte zu strategischen Entscheidungen (Stakeholder-Einbindung) sowie Beschwerdesysteme gibt. Nur so haben Mitarbeitende weiterhin Autonomie und «Handlungsmacht» (agency), sodass sie nicht zu einem simplen «Datenojekt» verkommen.

Stichwort «Technologietransfer»: Wer wären aus Ihrer Sicht mögliche Nutzer Ihres Projekts? Wer könnte davon profitieren?

Wir zielen klar auf einen Evidenz-basierten Umgang mit dem Prozess der Übersetzung von Handlungsinformationen in digitale Datenbestände als auch die Teilprozesse der Speicherung, Auswertung und Weiterverarbeitung (Datafizierung) im Personalwesen ab. Das bedeutet, dass wir mit Hilfe unserer Forschungsergebnisse das Personalwesen von morgen mit strategischen Hilfestellungen verbessern möchten: Wie kann man Blind Spots in Datenmodellen zu Monitoring am Arbeitsplatz schliessen? Wie verhindert man toxische Auswirkungen auf das Arbeitsklima? Wie stellt man sicher, dass sich Mitarbeitende nicht überwacht fühlen und geltendes Arbeitsrecht eingehalten wird?

Wir möchten die so genannte «Digital Literacy» im Unternehmensalltag fördern – alle betroffenen Stakeholdergruppen sollten wissen, was die datengetriebenen Technologien, die verstärkt im Einsatz sind, aufzeichnen, analysieren und welche Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet werden – aber eben auch wo die «Vermessung des Menschen» ihre Grenzen haben sollte. Neben den ethischen und rechtlichen Fragen gibt es hier auch Gütekriterien und Verzerreffekte zu beachten, wie wir sie bisher eher aus der klassischen Statistik kennen und teils auch im Buzzword «Data Science» wiederfinden. Ein Beispiel eines systemischen Verzerreffekts: Sind die Daten nicht repräsentativ, kann es zur Diskriminierung von Minderheiten kommen.

Big Data ist ein sehr vager Begriff. Können Sie uns erklären, was Big Data für Sie bedeutet?

Dem Begriff Big Data liegen verschiedene Technologien zugrunde, die ein grosses Datenset generieren, indem eine Vielzahl von verschiedenen Datenquellen verknüpft wird. Dies ermöglicht Analysen auf Basis sehr vieler Datenpunkte und verspricht dadurch, sehr akkurate Ergebnisse zu produzieren. Wir verwenden in unserem Projekt auch den Begriff «Datafizierung», der den Transformationsprozess beschreiben, der Artifakte des sozialen Lebens in quantifizierbare Datenübertrag um neue Werteforme zu kreiieren.

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