Rechtliche Schranken für die Big-Data-Überwachung am Arbeitsplatz

Autor:innen
Gabriel Kasper, Isabel Ebert und Simon Schafheitle
Universität St.Gallen

Big Data soll Unternehmen produktiver machen. Hierzulande setzen Betriebe zunehmend datenbasierte Techniken ein, um ihre Arbeitnehmer genauestens auszuwerten. Doch aus rechtlicher, ethischer und unternehmerischer Sicht stellen sich komplexe Fragen, die oft in der Interessenabwägung münden: Welche Kontrollen braucht das Unternehmen und wo muss der Schutz von Gesundheit und Privatsphäre der Arbeitnehmer überwiegen? Dabei ist die zarte Pflanze «Vertrauenskultur» im Unternehmen zu pflegen.

Big Data, Artificial Intelligence und Machine Learning bringen eine Fülle neuer Möglichkeiten, Arbeitsplätze an sich sowie das Verhalten und die Leistung von Mitarbeitenden zu steuern: So kann beispielsweise das Performance Management effizienter gestaltet werden, indem ein Algorithmus in Echtzeit die Fahrzeugflotte eines Logistikunternehmens analysiert, um die kürzeste Lieferroute zu errechnen. Im Ergebnis spart das Unternehmen jährlich Millionen US-Dollar durch reduzierten Benzinverbrauch und eine verbesserte Zustellquote. Auch der Bereich Compliance Management scheint stark von den Technologien zu profitieren. Während früher ganze Abteilungen damit beschäftigt waren, abertausende interne E-Mails nach vordefinierten Schlagwörtern zu durchkämmen, wird diese Aufgabe vielerorts von Algorithmen übernommen. Der Vorteil: Die Software scheint präziser als der Mensch zu arbeiten, lernt selbstständig neue Schlagwörter aufgrund eines einprogrammierten Systems und kostet einen Bruchteil im Vergleich zu den früheren Lohnkosten der Compliance-Abteilung. Die beiden Beispiele zeigen, dass es gute Gründe dafür gibt, dass Arbeitgeber die Chancen von Big-Data-Technologien im Personalwesen nutzen wollen.

Doch auch Risiken zeigen sich in Betrieben, welche die neuen Technologien bereits anwenden: Das erwähnte Logistikunternehmen steht in der Kritik, seine Zulieferer durch die permanente Überwachung im Stil eines orwellschen Big Brothers unter grossen Leistungsdruck zu setzen, der die Gesundheit schädige; Banken wird vorgeworfen, gestützt auf die Daten zu Compliance-Verstössen Kündigungen auszusprechen und schwarze Listen zirkulieren zu lassen, die es den Entlassenen verunmöglichen, wieder ins Berufsleben zurückzufinden. Der unsachgemässe Einsatz von Big-Data-Technologien im Personalwesen birgt nicht nur für die Mitarbeitenden Risiken, sondern auch für den Arbeitgeber in Form von Vertrauensverlusten im Unternehmensklima, Reputationsschäden am Employer Branding sowie rechtlichen Klagen und Aufsichtsverfahren. Besonders die Gefahr von Aufsichtsverfahren hat zugenommen, weil seit Mai 2018 das harte Sanktionssystem der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union teilweise auch für Situationen mit Schweiz-Bezug anwendbar ist. Ethische Fragen gegenüber dem Wohl der Mitarbeitenden kommen hinzu und wirken sich auf die individuelle Leistung der Mitarbeitenden aus. So belegen Studien, dass Mitarbeitende, die sich am Arbeitsplatz überwacht fühlen, schlechtere Leistungen erbringen. Für das Unternehmen ist der Einsatz von Big Data im Human Resource Management ein Balanceakt.

Die rechtlichen Schranken für die Big-Data-Überwachung am Arbeitsplatz sind in erster Linie im Arbeits- und Datenschutzrecht zu suchen: Der Arbeitgeber darf grundsätzlich nur Daten über Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer bearbeiten, wenn sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrags erforderlich sind. Im Übrigen gelten die Grundsätze des Datenschutzgesetzes. Big Data verfolgt aber in vielerlei Hinsicht Zwecke, die dem Datenschutzgesetz diametral zuwiderlaufen: Während Big Data für möglichst grosse Datenmengen steht, ist gesetzlich eine Datenminimierung und Speicherbegrenzung vorgesehen; mit Big Data überprüft die Arbeitgeberin Datensätze auf irgendwelche Korrelationen hin, während der Grundsatz der Zweckbindung erfordert, dass der Bearbeitungszweck im Zeitpunkt der Datenerhebung festgelegt wird; Big Data droht auch gewissermassen das Datenschutzgesetz zu unterlaufen, indem aus anonymisierten Datensätzen, die grundsätzlich nicht unter das Datenschutzgesetz fallen, Personen re-identifiziert werden.

Trotz der aufgezeigten rechtlichen, ethischen und unternehmerischen Risiken muss eine Möglichkeit bestehen, das gewaltige Potenzial von Big Data im Personalwesen auszuschöpfen. Die Unternehmen sollten entsprechende Projekte am Grundsatz der Verhältnismässigkeit ausrichten. Dabei setzen sie nur die Techniken ein, die für die Zielerreichung geeignet und erforderlich sind. Sie prüfen, ob keine überwiegenden Interessen am Schutz der Gesundheit und Privatsphäre der Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer vorliegen. Zudem setzt der verhältnismässige Einsatz von Big Data im Personalwesen nicht nur rechtliche Kenntnisse, sondern auch Fingerspitzengefühl für das Vertrauensklima und ethische Werte voraus. Vor Einführung eines entsprechenden Projekts sollten sich verschiedene Unternehmensabteilungen gemeinsam beraten. Auch ein aktiver Dialog mit den Mitarbeitenden, die oft den grössten Wert in einem Betrieb darstellen, ist erforderlich.

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