Instrument für grosse Vorteile für Gesellschaft und Wirtschaft

Autor
Prof. Rolf H. Weber
Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 75 „Big Data“

Interview mit Rolf H. Weber, Professor für internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich und Mitglied der Leitungsgruppe, über das NFP 75 und über Big Data im Allgemeinen.

Was waren Ihre Erwartungen an das NFP 75? Was hätte ohne das NFP 75 gefehlt?

Die Haupterwartung für mich an das NFP 75 bestand darin, Möglichkeiten der interdisziplinären und institutsübergreifenden Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsrichtungen zu schaffen. Neue Technologien haben regelmässig gewichtige Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Recht, weshalb es von Bedeutung ist, dass die Forschenden nicht in einem Silo-Denken verhaftet bleiben, sondern die einzelnen Disziplinen sich gegenseitig öffnen und befruchten. Diesem Ziel ist das NFP 75 in einem weiten Masse entgegengekommen, selbst wenn nicht alle relevanten Fragestellungen haben analysiert werden können.

Ohne das NFP 75 hätten die interdisziplinären Kooperationen mit Sicherheit nur viel beschränkter stattgefunden. Abgesehen von den durch die Forschenden selbst vorgeschlagenen Projekten tragen die im Laufe des NFP 75 besonders formulierten Querschnittsprojekte (z.B. ethische, rechtliche und soziale Herausforderungen von Big Data) dazu bei, das Verständnis zwischen den verschiedenen Forschungsrichtungen zu verbessern. Insoweit hat sich die staatliche Forschungsunterstützung als sehr zukunftsgerichtet erwiesen.

Können Sie uns erklären, was aus Ihrer Sicht Big Data bedeutet?

Big Data bedeutet vorerst die Sammlung und Verwaltung einer grossen Menge an Daten (Quantität). Viel bedeutender ist jedoch, dass die gesammelten Daten analytisch miteinander verknüpft werden können und sich dadurch Korrelationen herstellen lassen (Qualität). Big Data lässt sich damit als Instrument verstehen, das der Gesellschaft und der Wirtschaft grosse Vorteile zu verschaffen vermag. Nicht unerhebliche Risiken müssen aber ebenfalls beachtet werden: Abgesehen vom zentralen Schutz der Persönlichkeit (informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz) sind auch Diskriminierung, Unfairness oder gar Entsolidarisierung (z.B. im Gesundheitswesen) zu vermeiden.

Wo erwarten Sie die grössten Auswirkungen? Was ist Unsinn?

Auswirkungen von Big-Data-Analysen zeigen sich im öffentlichen und im privaten Bereich; es gibt kaum Handlungsfelder, die von Big Data nicht betroffen sind. Vereinfacht lässt sich sagen, dass die Auswirkungen von Big Data umso grösser sind, je datenintensiver ein bestimmter sozialer Bereich ist.

Die Risiken von Big Data (z.B. für Datenschutz und Nichtdiskriminierung) sind im Auge zu behalten. Die grundsätzliche Ablehnung entsprechender Datenanalysen erweist sich indessen als «unsinnig», weil neue Technologien nicht mit Verboten verhindert werden sollten. Vielmehr geht es darum, die angemessenen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Big-Data-Anwendungen in eine sachgerechte Richtung entwickeln. Big Data wird auch nicht die persönlichen Beziehungen ersetzen; die Befürchtung, Big-Data-Anwendungen könnten z.B. im Versicherungsbereich zu einer gravierenden Entsolidarisierung führen, erweisen sich als übertrieben, denn die Berücksichtigung individueller Verhältnisse bleibt auch künftig unentbehrlich.

Wie beurteilen Sie die Position der Schweiz in Bezug auf Big-Data-Forschung? Wie wichtig war das NFP 75?

Das NFP 75 hat gezeigt, dass die Big-Data-Forschung in der Schweiz (bereits) einen wichtigen Stellenwert einnimmt; das Forschungsprogramm war und ist wichtig, um die interdisziplinäre und institutsübergreifende Zusammenarbeit in der Schweiz zu verstärken. Insoweit lässt sich sagen, das NFP 75 habe schlummernde «Kräfte» geweckt; mit den erfolgreichen Projekten sind neue Erkenntnisse aufgelebt; nun bleibt zu hoffen, dass entsprechende Kooperationen auch nach Ablauf des NFP 75 weiter gepflegt werden.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Über das NFP 75