Die Herausforderung liegt in der schieren Menge der Daten

Autor
Prof. Erkki Oja
Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 75 „Big Data“

Interview mit Erkki Oja, Datenwissenschaftler und Mitglied der Leitungsgruppe, über das NFP 75 und über Big Data im Allgemeinen.

Was waren Ihre Erwartungen an das NFP 75? Was hätte ohne das NFP 75 gefehlt?

Als sich das NRP 75 im Jahr 2014 in der Planungsphase befand, war es meiner Meinung nach ein ziemlich einzigartiges Konzept. Zu dieser Zeit war Big Data ein grosses Thema und das NRP75 kombinierte als eines der ersten Forschungsprogramme die beiden Hauptaspekte dieses Forschungsgebiets – den technologischen mit Algorithmen, Demonstrationen und Anwendungen und den gesellschaftlichen mit ethischen, regulatorischen und rechtlichen Fragen. Zudem war das Programm wirklich zeitgemäss: Als Technologie und Konzept steckte Big Data damals noch in den Kinderschuhen, sodass das Forschungsprogramm in den folgenden acht Jahren die Entwicklungen beobachten und manchmal auch anführen konnte. Meiner Meinung nach ist das ein gutes Beispiel für die Prognose und korrekte Einschätzung der Entwicklung eines neuen Bereichs in naher Zukunft durch einen öffentlichen Geldgeber.

Können Sie uns erklären, was aus Ihrer Sicht Big Data bedeutet?

Ich war in der Leitungsgruppe als Forscher im Bereich Datenwissenschaft tätig. Ich habe zwar im Laufe der Jahre an zahlreichen Anwendungen gearbeitet, mein Schwerpunkt ist allerdings Big Data als Technologie – die effiziente Nutzung sehr grosser Datenmengen in einer realen Anwendung zur Gewinnung nützlicher Daten. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein rechnerisches Problem, bei dem die Herausforderung in der schieren Menge, Vielfalt und Qualität der Daten liegt. Für mich ist es faszinierend zu sehen, wie in der wissenschaftlichen Gemeinschaft neue Computerarchitekturen und Algorithmen entstehen, um dieses Problem zu lösen und immer mehr nützliche Anwendungen zu entwickeln – darunter auch das NFP 75.

Wo erwarten Sie die grössten Auswirkungen? Was ist Unsinn?

Ich als theoretischer Wissenschaftler glaube, dass ein völlig neuer Aufbau von KI-Methoden in Zukunft die grösste Auswirkung haben könnte – eine wesentliche Verbesserung gegenüber herkömmlichen Datenverarbeitungs- und Analysemethoden. KI gibt es schon länger, aber erst in jüngster Zeit gab es verschiedene äusserst innovative Entwicklungssprünge, insbesondere in der Bild- und Sprachverarbeitung. Diese neue «Deep AI» basiert auf der Idee, dass Big Data als Material für leistungsstarke neue Methoden des maschinellen Lernens – und dabei vor allem für tiefe neuronale Netze – dienen kann. Auf dieser Basis lassen sich sogar bei Zielen, die noch in weiter Ferne zu liegen schienen, zum Beispiel das Verstehen und Generieren gesprochener Sprache, beeindruckende Ergebnisse erzielen. Dies kann bedeutende Auswirkungen auf die Automatisierung in allen Bereichen der digitalen Gesellschaft haben. In Bezug auf den Unsinn sollten wir bei dem ganzen Hype Vorsicht walten lassen: Big Data sind einfach nur Daten ohne inhärente Intelligenz und maschinelles Lernen deckt lediglich die zugrunde liegenden Verbindungen und Korrelationen dieser Daten auf. Die Verantwortung für die kritische und sinnvolle Nutzung der Technologie verbleibt beim Menschen. 

Wie beurteilen Sie die Position der Schweiz in Bezug auf Big-Data-Forschung? Wie wichtig war das NFP 75?

Die Schweiz gehört zu den führenden Ländern in den Bereichen internationale Big-Data-Forschung und Anwendungen. Das hat mit der seit jeher starken Position der Informatik im Allgemeinen zu tun. An Schweizer Universitäten gibt es hervorragende Forschungsgruppen, von denen wir viele für die Teilnahme am NFP 75 gewinnen konnten. Trotz der begrenzten Mittel für diese Art von Forschungsprogramm glaube ich, dass das NFP 75 der Forschung in diesem Bereich einen Schub gegeben hat. Vor allem die neuen Verbindungen und Netzwerke, die in diesem multidisziplinären Programm entstanden sind, werden sich mit Sicherheit noch als wertvoll erweisen. Dies trägt massgeblich zu den Innovationskapazitäten der Schweiz und ihrer Attraktivität für multinationale Unternehmen und internationale Organisationen bei.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Über das NFP 75