Eine beispiellose Gelegenheit, an topaktueller Forschung zu arbeiten

Autorin
Prof. Sihem Amer-Yahia
Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 75 „Big Data“

Sihem Amer-Yahia wurde neu in die Leitungsgruppe des NFP 75 gewählt. BigData-Dialog hat mit ihr über ihre Forschung, über das NFP 75 und über Big Data im Allgemeinen gesprochen.

Sie sind neu Mitglied der Leitungsgruppe. Was sind Ihre Erwartungen an das NFP 75?

Das NFP 75 anerkennt sowohl die Notwendigkeit, die Forschung beim Aufbau und der Verbesserung von Big-Data-Infrastrukturen zu unterstützen, als auch, die gesellschaftlichen Auswirkungen anzugehen, indem zwei komplementäre Achsen finanziert werden: rechtliche Fragen und Anwendungsbereiche. Das NFP 75 bietet Datenwissenschaftlern, Fachleuten in ihrem Gebiet und Rechtsexpertinnen eine beispiellose Gelegenheit, an topaktueller datengestützter Forschung zu arbeiten. Eine Erwartung besteht darin, dass das NFP 75 weiterhin alle drei Achsen finanziell unterstützt und die gegenseitige Befruchtung zwischen den Achsen fördert, indem Daten, aber auch Best Practices ausgetauscht werden.

Was würde fehlen, wenn es das NFP 75 nicht gäbe?

Ohne das NFP 75 würden Forschende und Praktikerinnen und Praktiker weiterhin ausschliesslich in ihren eigenen Disziplinen finanziert und eine gegenseitige Befruchtung, die für den Erfolg der Big-Data-Forschung notwendig ist, würde entweder nicht stattfinden oder sich auf private Zusammenarbeiten beschränken, wovon weitere Forschende nicht profitieren könnten.

Können Sie uns erklären, was Big Data für Sie bedeutet?

Mit dem Aufkommen von Big Data rückt die Datenwissenschaft in den Mittelpunkt grosser Initiativen in verschiedenen Bereichen. Immer mehr Master-Studiengänge bieten inzwischen ein gemischtes Curriculum mit einer Ausbildung an, die Data-Science-Disziplinen mit Expertise in einem bestimmten Bereich wie Management und Gesundheit kombiniert. In der Industrie verwischt Big Data die Grenzen zwischen den Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Projektmitgliedern. Das ist eine grosse Chance, sich auf andere Bereiche zu spezialisieren: Datenwissenschaftler entwickeln medizinische Expertise und Medizinerinnen beherrschen die Nutzung von Big-Data-Infrastrukturen und -Bibliotheken. Trainingsprogramme, sowohl in der akademischen Welt wie auch in der Industrie, müssen sich dieser Disruption bewusst sein.

Wo erwarten Sie die grössten Auswirkungen? Was ist Unsinn?

Die grössten Auswirkungen werden durch Projekte erzielt, in denen Datenwissenschaftlern, Fachleuten in ihrem Gebiet und Rechtsexpertinnen involviert sind. Diese drei Aspekte von Big Data können nur unter Einbeziehung von Forschenden und Praktikern realisiert werden, die bereit sind, die notwendige Zeit für Disziplinen ausserhalb ihres Fachgebiets aufzuwenden. Im Speziellen haben Forschende die Verantwortung, sich in ihren eigenen Gemeinschaften dafür einzusetzen, Forschung und Methoden aus anderen Disziplinen zu übernehmen. In der Informatikforschung (Data Management, Data Mining, Machine Learning) beobachten wir, dass spezialisierte Tracks entstehen, die Eingaben akzeptieren, die aus einem Mix aus Expertise in Form eines Use-Cases-Tracks oder eines Experimental- und Analysetracks bestehen. Das ist ein gutes Zeichen und es sollten weitere Anstrengungen dieser Art gefördert werden, um die disziplinübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Unsinn wäre es, die Arbeit jeder Disziplin auf sich selbst zu beschränken und nicht auf die Bedürfnisse und Fortschritte anderer Disziplinen zu hören.

Sprechen wir noch ein wenig über Ihre Forschung: Am Research Day des NFP 75 im Mai haben Sie über „Fairness in Online Labor Markets“ gesprochen. Was war Ihre spezifische Forschungsfrage? Warum haben Sie sich für diese Frage entschieden?

Online-Jobbörsen werden immer beliebter als Medien, um Menschen für bestimmte Aufgaben einzustellen. Zu diesen Marktplätzen gehören freiberufliche Plattformen wie Qapa und MisterTemp‘ in Frankreich sowie TaskRabbit und Fiverr in den USA. Auf diesen Plattformen können Einzelpersonen temporäre Jobs in der physischen Welt (z.B. auf der Suche nach einem Sanitärinstallateur) oder in Form virtueller „Micro-Gigs“ wie „Hilfe bei HTML, JavaScript, CSS und JQuery“ finden. Die Plattformen stufen die Personen basierend auf Algorithmen nach ihrer Qualifikation für den Job ein. Dies wirft natürlich die Frage nach der Fairness im Ranking auf. Es ist also von entscheidender Bedeutung, die Fairness auf den Online-Arbeitsmärkten zu untersuchen, da immer mehr Menschen auf Online-Plattformen angewiesen sind, um Arbeit zu finden. Meine aktuelle Arbeit befasst sich mit der Frage der Fairness im Ranking von Einzelpersonen auf diesen Plattformen und untersucht, welche Gruppen über- bzw. untervertreten sind.

Was sind die Schlussfolgerungen?

Die wichtigsten Ergebnisse meiner Arbeit zur Fairness auf Online-Berufsmärkten sind die Notwendigkeit, die Studie auf mehrere Plattformen auszuweiten und zu vergleichen, wie Menschen auf diesen Plattformen behandelt werden. Diese Art von Arbeit kann nur in Zusammenarbeit zwischen Daten- und Sozialwissenschaftlern durchgeführt werden, insbesondere auch mit Rechtsexpertinnen. Einige weitere offene Fragen sind noch zu klären, darunter die Frage, welcher Rechtsrahmen auf diese Arbeit angewendet werden sollte und wie Diskriminierungen behoben werden können.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Über das NFP 75