Bodenerosion in den Alpen: Von Luftbildern zu Karten dank Big-Data

Autorin
Lauren Zweifel
Universität Basel

Gespräch mit einer der Verantwortlichen des NPF75-Projekts «Integrierte Auswertung von Sensordatenströmen und Feldbeobachtungen».

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Projekt, und was haben Sie bereits realisiert?

Bodenerosion ist ein ernstzunehmendes Umweltproblem, da dabei fruchtbarer Boden abgetragen wird und innert Zeiträumen, die für uns Menschen relevant sind, nicht erneuerbar ist. Die Erosion im Flachland, die unter anderem durch falsche landwirtschaftliche Bewirtschaftung erfolgt, wurde in der Vergangenheit sehr intensiv erforscht. Jedoch sind auch die alpinen Böden stark von Erosionsprozessen betroffen, die zudem über die Jahre stark zugenommen haben. Dies ist auf das veränderte Klima zurückzuführen, aber auch auf die intensivierte Landnutzung der alpinen Graslandböden. Die Bodenerosion zeigt sich hier in verschieden Formen: Einerseits haben wir Erdrutsche, die durch starke Niederschlagsereignisse und Schneebewegungen (Lawinen, Schneegleiten) ausgelöst werden, und andererseits verschiedene Formen von Erosionsschäden, die durch landwirtschaftliche Nutzung hervorgebracht werden, so z.B. durch intensive Rinder- und Schafbeweidung, aber auch durch zu schwere Maschinen oder nicht angepasste Bewirtschaftungszeitpunkte.

Aus wissenschaftlicher Sicht wurde in der Vergangenheit oft nur an einzelnen Erosionsformen geforscht (z.B. Erdrutsche), da die Entstehungsgründe sich stark voneinander unterscheiden und die Forschungsmethoden (Modellierungen, Feldmessungen etc.) je nach Erosionsform variieren. Da jedoch alle diese Formen auf Luftbildern erkennbar sind, ist es unser Ziel, alle Erosionsformen, die in den Alpen vorkommen können, gleichzeitig zu kartieren, nach Typ zu kategorisieren und eine holistische Beurteilung vorzunehmen.

Als Pilotstudie haben wir das Urserental im Kanton Uri mit einer bewährten Methode (Object-based Image Analysis) kartiert. Dabei wurden Luftbilder, die zwischen 2000 und 2016 von Swisstopo aufgenommen wurden, semi-automatisch ausgewertet. Durch das Kartieren mehrerer Luftbilder bekommt das Projekt eine zeitliche Komponente, womit wir die Entstehung dieser Erosionsformen beobachten und besser verstehen können. Da diese Methode jedoch zeitintensiv ist und von einem Experten durchgeführt werden muss, besteht das Bedürfnis nach schnellen und zuverlässigen Methoden z.B. das Deep Learning, damit grossräumige Analysen in den Alpen durchgeführt werden können.

Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, die Bevölkerung einzubinden, indem Fotodokumentation durch Nicht-Fachleute einbezogen wird. Mit der geplanten Smartphone-Anwendung «Citizens’ Observatory Smartphone App», oder kurz COSA App, können Menschen, die sich durch diverse Freizeitbeschäftigungen in den Bergen aufhalten, ihre Beobachtungen mit uns teilen und sich so an der Forschung beteiligen. Als Dank werden spannende Informationen zum Gebiet angeboten.

Worauf sind Sie und Ihr Team besonders stolz?

Die ungewöhnliche interdisziplinäre Zusammensetzung des Teams – Umweltwissenschaften und Computerwissenschaften – bietet die Möglichkeit, grosse Schritte nach vorne zu machen. Die Zusammenarbeit sorgt dafür, dass für wichtige Anwendungsprobleme kreative und fortgeschrittene Methoden entwickelt werden. Dabei werden aus beiden Forschungsbereichen relevante Beiträge geleistet.

Von Seiten der Computerwissenschaften werden nicht nur Daten verwendet, um zu zeigen, dass eine entwickelte Methode theoretisch funktioniert, und von Seiten der Umweltwissenschaften werden nicht nur bereits existierende Methoden auf Daten angewendet. Stattdessen werden spezifische Methoden entwickelt, um grosse Datenmengen auszuwerten mit dem Ziel ein wichtiges Umweltproblem zu erforschen.

Welche Veränderungen bewirkt Ihr Projekt?

Wir entwickeln eine effiziente Strategie, um Auswertungen zur Bodendegradation auf grosser Skala durchführen zu können. Dies wird uns ermöglichen, alle Erosionsformen in den Alpen auszuwerten und zeitliche und räumliche Dynamik zu bewerten, was bis jetzt noch nicht möglich war.

Was bedeutet das NFP 75 für Sie?

Grosse Datensätze sind in allen Forschungsbereichen verbreitet und nehmen zunehmend einen höheren Stellenwert ein. Um daraus überhaupt relevante Informationen zu erhalten, müssen diese Datensätze auf effiziente Art und Weise analysiert werden.

Das NFP 75 bietet vielen Forschungsteams die Möglichkeit, sich mit solchen Big-Data-Fragen auseinander zu setzten. So wird in einem koordinierten Rahmen Platz für diese wichtigen Themen in der Forschung geschaffen. Für uns speziell bietet es die einmalige Möglichkeit dieses Projekt durchzuführen. Als fachspezifisches, disziplinäres Projekt im rein wissenschaftlichen Umfeld wäre diese Studie nicht möglich gewesen.

Was würde fehlen, wenn es Ihr Projekt nicht gäbe?

Das Projekt bietet die Möglichkeit, die Horizonte der jeweiligen Forschungsgruppen zu erweitern. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit bekommt man einen Einblick in die Herangehensweisen und Arbeitsmethoden der anderen. Dies ist ein essenzieller Aspekt bei grenzüberschreitenden Forschungsprojekten und wird auch in Zukunft bei wichtigen Fragestellungen für einfachere Kollaborationen sorgen.

Bilder vom Urserental (2018) zeigen ein Gebiet, das von vielen kleineren Erdrutschen betroffen ist (Fotos: Lauren Zweifel).

Kartenausschnitt vom Urserental zeigt die kartierten Erosionsformen mit der Object-based Image Analysis Methode (rot = Erdrutsche, orange = Viehgangeln, gelb = Flächenerosion, blau = Landmanagement). Hintergrundbild: SwissImage 2016 (Swisstopo)  

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